Großer Festgottesdienst und Empfang zum 200-jährigen Bestehen der evangelischen Kirche in Oberneisen

 OBERNEISEN/RHEIN-LAHN. (7. November 2019) Mit einem bestens besuchten Festgottesdienst und einem würdigen Empfang im Anschluss erwiesen die Menschen aus Oberneisen, Netzbach, Lohrheim und benachbarten Gemeinden ihrer einzigartigen Kirche die Ehre. Vor 200 Jahren wurde das Gotteshaus in der jetzigen Form erbaut. Doch Predigt und Grußworte machten deutlich: die Oberneiser Rundkirche als „Dom des Aartals“ ist viel mehr als nur ein außergewöhnliches klassizistisches Bauwerk.

„Eine runde Sache ist das“, leitete Dr. Klaus-Volker Schütz, Propst für Rheinhessen und das Nassauer Land, seine Predigt ein und erinnerte an bedeutende Ereignisse aus dem Jahr 1819. Auch die damalige politische Situation sprach er an, in der Antisemitismus aufkeimten und liberales Denken bekämpft wurden; dabei seien gerade Freiheit und Verantwortung entscheidende Säulen der weltweiten Christenheit. „Dafür ist zu danken, dass Menschen christliche Verantwortung übernommen haben“, sagte Schütz und wandte mit dem Bibelwort „Mache dich auf und werde Licht!“ den Blick in die Zukunft, das heraushole aus Ich-Bezogenheit, Hass oder Zynismus. Gemeinde sei kein Verein wie es viele gibt, „sie ist eine Aufbruchsgemeinschaft“, die sich zwar in der Kirche treffe, aber die zum Licht für die Welt werden wolle. Gott habe die Menschen nicht in Kirchen, sondern in die Welt gesandt.

Ein ganzes Jahr hatte die Gemeinde das Jubiläum in verschiedenen Veranstaltungen aufgegriffen, in die sowohl alle Generationen als auch die gesamte Region einbezogen waren. Die dabei versteigerten sechs Puzzle-Teile wurden sehr sinnig im Festgottesdienst zusammengesetzt und wiesen auf die Kerneigenschaften des in die Welt wirkenden Gemeindelebens hin: Gemeinschaft, Liebe, Freude, Glaube, Humor und Friede.

In dem von Dekanin Renate Weigel und Gemeindepfarrerin Annette Blome geleiteten Gottesdienst sorgten der evangelische Kirchenchor unter Leitung von Cornelia Blanche und Bernard Stotz, der Posaunenchor unter Jürgen Müller und Organistin Manuela Dietrich für einen wunderschönen musikalisch-festlichen Rahmen. Musik empfing die vielen Jubiläumsgäste anschließend in der Turnhalle, vornweg Saxophonist Fabian Fischer und später der Männerchor Aartal unter Eberhard Biebricher.

Landrat Frank Puchtler, der nicht nur Mitglied der Landessynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ist, sondern auch selbst ein „Oberneiser Bub'“ sprach den Gästen an den langen mit Kaffee und Kuchen bestückten Tischen aus dem Herzen, als er seine ganz persönlichen Erfahrungen und Gefühle mit der Rundkirche schilderte. Sie sei ein Bauwerk, das beschützt und überdies ein Symbol für Heimat und Glaube, mit dem Generationen groß geworden sind und das Halt, Kraft und Orientierung biete, wie es Kirche insgesamt tue, „wenn sie da ist, wo die Menschen sind“.

Dekanin Renate Weigel erinnerte daran, wie viel so eine Kirche aushalten muss, nicht nur an Ehre, sondern auch an Krieg, Gewalt und Vergessen. „Hinter den Steinen stehen Menschen und Gott selbst“, sagte Weigel und forderte dazu auf, sich immer die Frage zu stellen, „erfreue ich mit meinem Handeln Gott oder verletze ich ihn?“. Gleichzeitig machte sie der Gemeinde Mut, mit denen, die da sind, fröhlich Gottesdienste zu feiern und das Evangelium in die Welt hinauszutragen, ganz gleich wie hoch die Kollekte ist. „Das Evangelium ist noch da, wenn keine Kirche mehr steht.“

Moderatorin Marion Adelmann konnte aus verschiedensten Gruppen Grußredner auf die Bühne bitten, die vor dem tollen Hintergrundbild mit Burgmauer, Ortschaft und Rundkirche ihre Freude über das Jubiläum der Kirche teilten. Bruder John Manickaraj von der katholischen Pfarrei St. Christophorus etwa, der zugab, dass ihm ein „schade“ in den Sinn kam, als er bei seinem ersten Besuch im Aartal erfuhr, dass die Rundkirche keine katholische Kirche ist. Ex-Gemeindepfarrer Stefan Fischbach, der im Anblick des Bauwerks immer noch ein Stück nachhause kommen empfindet. Für die Kirchengemeinde Burgschwalbach, die mit Oberneisen pfarramtlich verbunden ist, überbrachte Heidi Schnee Glückwünsche. Ein Gedicht von Martha Friedrich lockerte den Gruß-Reigen auf.

Von politischer Seite unterstrichen Harald Gemmer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Aar-Einrich, die symbolträchtige Bedeutung der Rundkirche sowie Landtagsabgeordneter Jörg Denninghoff (SPD) und Peter Pelk, der für die drei zur Kirchengemeinde zählenden Ortschaften Lohrheim, Netzbach und Oberneisen sprach. Dass das im Gottesdienst erwähnte Puzzle-Teil der Gemeinschaft rund um den Dom des Aartals mit Leben erfüllt ist, zeigten außerdem Hiltrud Schäfer mit Grüßen der Oberneiser Ortsvereine und die Moderatorin selbst, die sich für TonArt Netzbach und die Netzbacher Vereine den guten Wünschen anschloss. Bernd-Christoph Matern

Zu den Fotos:
Große Aufmerksamkeit für eine runde Sache: Mit einem Festgottesdienst und einem Empfang feierte die evangelische Kirchengemeinde Oberneisen den 200. Geburtstag ihrer Rundkirche, der Höhepunkt des Jubiläumsjahres. Fotos: Matern