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Klingelbacher Karfreitags-Inszenierung als Vorbild

Erfolgreiche Ermöglichungskultur: Evangelische Kirchengemeinde wird mit Corona-Verspätung Gottesdienstpreis überreicht

Godipreis240422 PreisHoch becrima KLINGELBACH/RHEIN-LAHN. (28. April 2022) Die Kreuzigung und die Botschaft von der Auferstehung Jesu ist mehr als 2000 Jahre alt. Sie ebenso ansprechend wie bewegend den Menschen im 21. Jahrhundert zu vermitteln, das ist der evangelischen Kirchengemeinde Klingelbach gelungen. Mit zweijähriger Verspätung wurde ihr der renommierte Gottesdienstpreis 2020 der Karl Bernhard Ritter-Stiftung überreicht.

Eine Auszeichnung, die nicht nur Kirchengemeinde, Dekanat und Kommune mit Stolz erfüllt. Die in Klingelbach durchdachte Inszenierung und Verbindung aller Gottesdienste von Gründonnerstag bis Ostersonntag dürfte in diesem Jahr schon an vielen Orten in Deutschland „nachgefeiert“ worden sein, erklärte Dr. Stephan Goldschmidt, Vorsitzender der Stiftung zur Förderung des Gottesdienstes. In seiner Laudatio stellte er zunächst eine Grundsatz-Frage: „Passen Gottesdienst und Wettbewerb überhaupt zusammen?“ Goldschmidt stellte klar: „Wir machen kein Casting, kein Schaulaufen“. Die hochkarätig besetzte Jury treffe ihre Entscheidungen anhand schriftlich eingereichter Unterlagen, ergänzt um Bildmaterial. „Der Wettbewerb macht auf wertschätzende Weise deutlich, dass hinter einem guten Gottesdienst viel Arbeit steckt, viel Kreativität, Fantasie, Engagement und liebevolle Detailarbeit“, so der promovierte Theologe. Begeistert hätten ihn die vor zwei Jahren eingereichten Konzepte zu den Karfreitagsgottesdiensten, in denen es ums Leiden Jesu und dessen Tod geht, die von „himmelschreiendem Unrecht erzählen und gleichzeitig trösten und Heilung verheißen sollen“. Darin schloss er die Stiftung St.-Mätthäus in Berlin ein, mit der sich die Klingelbacher den mit 2500 Euro dotierten Preis teilt.

Godipreis240422 Laudatio becrima Das Klingelbacher Beispiel zeige, dass gute Gottesdienste überall möglich sind, nicht nur in großen Kirchen und finanzstarken Gemeinden und keineswegs einen ländlichen „Mitleidsbonus“ brauchen. „Auch in ländlichen Gemeinden wie Klingelbach gibt es kreative Gottesdienste, die auf Augenhöhe sind mit denen einer großstädtischen Kulturkirche mit ihren vielen Möglichkeiten.“ Neben allen Akteuren sowie den damaligen Klingelbacher Pfarrerinnen Dr. Anneke Peereboom, die das Grundkonzept erarbeitet hatte, und Mariesophie Magnusson, die den Gottesdienst hielt und das Konzept einreichte, dankte und lobte Goldschmidt die Ehrenamtlichen der Gemeinde und im Kirchenvorstand. „Für außergewöhnliche Gottesdienste braucht es eine gemeindliche Ermöglichungskultur, also Menschen, die Lust am Experimentieren haben“, sagte der Theologe, bevor er den Preis, eine Holz-Skulptur des Kasseler Künstlers Matthias Heß, an die anwesenden Akteure und Verantwortlichen des Konzepts überreichte.

In Gemeinschaft hat Klingelbach die Nase vor Berlin

Godipreis240422 Empfang becrima Das hohe Engagement des Ehrenamts betonte auch Pfarrerin Magnusson: „Hier sind ganz viele Menschen mit ganz viel Herz dabei, das ist ein Geschenk, was in dieser Gemeinde für diese Gemeinde ausgelebt wird“. Die Vorsitzende des Kirchenvorstands Gabriele Schmidt, die von der freudigen Überraschung über die Auszeichnung berichtete, sprach von einem echten „Gemeinschaftswerk“, das gerade in der jetzigen Vakanz das Gemeindeleben aufrecht erhalte. „Danke an alle, die jeden Tag mitarbeiten!“. Dass eine Kulturkirche in Berlin und die Dorfkirche in Klingelbach als Preisträger ausgelobt wurden, „darauf sind wir alle sehr stolz und freuen uns mit euch“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Synode des evangelischen Dekanats Nassauer Land Dr. Ulrich Werner. So ging es auch Harald Gemmer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Aar-Einrich, der auf die Politik anspielte: „Wir geben viel und auch gern nach Berlin, aber was Innovation und Gemeinschaft anbelangt, da hat Klingelbach die Nase vorn.“ Gemmer dankte dem Kirchenvorstand, der zulasse, Neues auszuprobieren, was für eine Gemeinde spreche, die es wert sei, der Pfarr-Vakanz bald ein Ende zu machen.

Opfer von Macht und Zerstörungswillen nicht übersehen

Ostern als Neuanfang deutlich sichtbar zu machen, das sei der Gemeinde mit der ausgezeichneten Gottesdienstverbindung gelungen, erklärte Stephan Goldschmidt und beschrieb in seiner Laudatio das Besondere: Zu Beginn des Karfreitagsgottesdienstes steht auf dem geschmückten Altar noch das Abendmahlsgeschirr und der Blumenschmuck vom Gründonnerstag. Am Ende liegt eine Dornenkrone auf dem leergeräumten und schwarz abgedeckten Altar. Dazwischen eine Liturgie, die mit Orgel und Gesang beginnt, dann aber mehr und mehr reduziert wird, bis nur noch die Worte der Passionsgeschichte erklingen. Am Ende verlässt die Gemeinde schweigend die Kirche. Nicht einmal der Segen löst die entstandene Spannung auf. Der folgt erst am Ostersonntag.

Außerdem ruft der Laudator die „besonders bemerkenswerte“ Predigt von Pfarrerin Magnusson in Erinnerung, die das Schicksal Jesu über eine altgriechische Sage vom Goldenen Vlies in die heutige Zeit übertrug. „Es gibt sie immer wieder: die Opfer von Macht- und Zerstörungswillen“, hieß es in der Predigt. Christinnen und Christen sollten andere nicht übersehen. „Es gibt Momente, da können wir nichts ,machen´. Aber wir können da sein. Sehen.“ Bernd-Christoph Matern

Namhaft

Diese Personen wirkten beim Karfreitagsgottesdienst mit: Pfarrerin Mariesophie Magnusson, Kirchenmusiker Uwe Weiland, Gabriele Schmidt, Marianne Schröter, Carolin Richter, Max Fischer, Inge Dornseifer, Christina Dahmen und Küster Dirk Othegraven.

Hier finden Sie einen Beitrag über die kreative Verbindung von Gründonnerstag zu Ostern.

Zu den Fotos:

Dr. Stephan Goldschmidt überreicht den Gottesdienstpreis an Mitwirkende der durchdachten und bewegenden Karfreitags-Inszenierung: Pfarrerin Mariesophie Magnusson, Gabriele Schmidt, Marianne Schröter, Organist Uwe Weiland und Lucas Othegraven (von links). Die Holzskulptur ist ein Unikat und wurde vom Kasseler Künstler Matthias Heß geschaffen. Während eines Empfangs vor der Kirche wurde auf die Auszeichnung angestoßen. Fotos: Matern