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Ortsbürgermeister und Pfarrer arbeiten bald Tür an Tür

In Heistenbach startet im Oktober unkompliziertes und wirtschaftlich sinnvolles „Joint-Venture“ von Kirche und Kommune

 HEISTENBACH/RHEIN-LAHN. (3. August 2022) Als in den 1960-er und 1970-er Jahren in vielen Ortschaften des Rhein-Lahn-Kreises Gemeindehäuser wie Pilze aus dem Boden sprossen, waren es nicht nur Prestige-Objekte – es herrschte dort auch Hochbetrieb. Doch in Zeiten, in denen die Menschen ihr Freizeit-Glück nicht mehr nur rund um den eigenen Kirchturm suchen und kirchliche wie kommunale Kassen sparen müssen, wird die Unterhaltung von Gebäuden vielerorts ein finanzielles Problem. In der gut 1000 Einwohner zählenden Ortsgemeinde Heistenbach unweit von Diez, zeigen Gemeinderat und Kirchengemeinde, wie sich wirtschaftlich nachhaltig zusammenarbeiten lässt, wenn man Herausforderungen gemeinsam angeht.

Genau das taten die Ortsgemeinde Heistenbach und die evangelische Kirchengemeinde St. Peter zu Diez, zu der neben Altendiez, Gückingen, Aull und Hambach eben auch Heistenbach zählt. Die Kommune hatte zu wenig, die Kirche zu viel Platz. Gemeinsame Ortsbegehungen und viele Gespräche nahmen in den vergangenen Monaten feste Form an und mündeten in einem Mietvertrag: Ab Oktober wird Heistenbachs Ortsbürgermeister Mirko Unkelbach in einen kleinen Sitzungssaal im Anbau des evangelischen Gemeindehauses in der Wiesenstraße einziehen, um dort sein Arbeitszimmer einzurichten und kleinere Besprechungen zu führen. Für kirchliche Zwecke wurde der Raum nicht mehr genutzt. Der große Saal kann zukünftig als Sitzungsort für die verschiedenen Ausschüsse der Ortsgemeinde und andere Tagungen dienen. Gleichzeitig bleibt er Treffpunkt für die Nachmittagsangebote der Kirchengemeinde wie Besuchsdienstkreise, Seniorennachmittage oder den Konfirmations-Unterricht. Aber auch Gottesdienste können dort noch gefeiert werden. „Die gibt es dort aber seit der Corona-Pandemie kaum noch“, erklärt der Gemeindepfarrer Manuel Fetthauer. Für die meisten regelmäßigen Gottesdienste habe sich die St.-Peter-Kirche für alle Ortschaften etabliert.

Während die Kirchengemeinde die Kosten für die oftmals leer stehenden Räume im Blick hatte, leidet die Ortsgemeinde schon länger unter Platzmangel in ihrem Rathaus. Dort ist im Erdgeschoss die Kindertagesstätte und im Untergeschoss  die Feuerwehr untergebracht. Für die Gemeinderatssitzungen gab es einen Raum in der Lindenhalle. „Das ist kein optimaler Standort“, erklärt Ortsbürgermeister Mirko Unkelbach. Der Nebenraum „Lindenstube“ sei aufwändig zu heizen und die Vertraulichkeit durch den gut ausgelasteten Turnbetrieb nebenan nur beschränkt einzuhalten. Ganz zu schweigen von seinem kleinen Bürgermeisterzimmer im Obergeschoss, das nur über eine lange Treppe erreichbar ist und direkt neben einer vermieteten Wohnung liegt.

„Es war der Wunsch der Ortsgemeinde, endlich eine barrierefreie Anlaufstelle zu schaffen“, berichtet der Ortschef. Eine Alternative wäre noch gewesen, die bald frei werdenden Räumlichkeiten der Feuerwehr umzubauen. Eine Kostenermittlung im Jahr 2021 ergab allerdings einen Investitionsbedarf von etwa 330.000 Euro. „Und da waren die aktuellen Preissteigerungen noch nicht berücksichtigt“, so Unkelbach, „selbst bei eventuellen Förderungen wäre das nicht wirtschaftlich gewesen.“ Der Mietvertrag mit der Kirchengemeinde sei dagegen eine einfache, unkomplizierte und für beide Seiten nachhaltige Lösung.

Für den Pfarrer der Kirchengemeinde, die insgesamt drei Gemeindehäuser besitzt, ist das „ein Joint-Venture, das Schule machen könnte“. Vor dem Hintergrund, dass in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) die Gebäude, deren Nutzung und Unterhaltung gerade auf dem Prüfstand stehen, sieht er in der Zusammenarbeit mit der Ortsgemeinde gar ein Leuchtturmprojekt für Hessen und Nassau. „Der von der Kirchensynode beschlossene Zukunftsprozess ekhn.2030 verlangt den Kirchengemeinden ein neues Nutzungskonzept für deren Gebäude ab“, erklärt Fetthauer.

Das Dekanat Nassauer Land, zu dem auch die St.-Peter-Gemeinde gehört, zählt zu einem Pilotdekanat, in dem erstmals sämtliche kirchlichen Immobilien einschließlich der Kirchen genau unter die Lupe genommen werden: Welche Räume besitzt eine Kirchengemeinde, wie werden sie genutzt, in welchem Zustand befinden sie sich, mit welchen auch energetischen Sanierungsmaßnahmen und -kosten ist zu rechnen? Das sind unter anderem Fragen, die dabei beantwortet werden.

„Bevor uns da ein Leerstand droht und Zuschüsse aus Darmstadt gänzlich gestrichen werden, ist die Zusammenarbeit mit der Kommune jetzt für alle Seiten ein echter Gewinn und sichert den Erhalt des Gemeindehauses“, freut sich der Theologe über die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem neuen Mieter. Kein Wunder also, dass auch beide Entscheidungsgremien, Ortsgemeinderat und Kirchenvorstand dem Vorhaben einstimmig Grünes Licht erteilten. Bernd-Christoph Matern

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Das Kreuz ziert die Hauswand des evangelischen Gemeindehauses in Heistenbach. Ab Oktober finden dort auch kommunale Gremien und der Ortsbürgermeister Quartier. Foto: Matern