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Posaunenchor bietet seit 100 Jahren Balsam für die Seele

Evangelische Kirchengemeinde Nastätten feiert mit Gotteslob und „Teufelsmusik“ Jubiläum

100Jahre040922hoch NorbertSchreiner NASTÄTTEN/RHEIN-LAHN. (7. September 2022) „Ohren hast du, um zu hören“ war das Gemeindefest der evangelischen Kirchengemeinde Nastätten überschrieben, das an die Gründung ihres Posaunenchors vor 100 Jahren erinnerte. Und den Ohren wurde sowohl im Festgottesdienst als auch später im Hof an der Kirche Festliches, Nachdenkliches und Unterhaltsames vom Jubiläumschor und seiner Dirigentin Dörte Schneider geboten.

Sie nutzte das Motto-Lied, um den Besuchern des von Gemeindepfarrerin Constanze Reif geleiteten Gottesdienstes einen ebenso informativen wie sinnigen Einblick in die 100-jährige Geschichte des Posaunenchores zu geben. Dem ehemaligen Ortsbürgermeister von Grebenroth Heinrich Vogt war die Gründung zu verdanken, der in den umliegenden Orten im hessen-nassauischen Gemeinschaftsverein das Lob Gottes mit Trompeten und Posaunen verkünden ließ.

Zur wahren Blüte in den 1950-er und 1960-er Jahren habe die Diakonisse Luise Gräb dem Chor verholfen: Schätzungsweise 150 Schüler seien unter ihrem „strengen Regime“ ausgebildet worden. „Wenn man mal stumpf gespielt war, bekam man aus einem kleinen Döschen wundersame Ansatzsalbe auf die Lippen geschmiert“, erinnerte Schneider, was ihr von den langjährigen Chormitgliedern Wilfried Schmidt und Helmut Singhof zugetragen wurde. Zu Auftritten bei Zeltmissionen im Ländchen sei man bis zu 20 Kilometer weit mit Moped oder Fahrrad gekommen. „Manchmal landete man dabei mit Gefährt samt Instrument im Graben“, so Schneider. Zu dieser Zeit seien nur streng geistliche Lieder gespielt worden, „alles andere galt als Teufelsmusik“. So mussten sich einige Spieler entscheiden, ob sie weiterhin im Posaunenchor oder zu Feuerwehrkapelle oder Tanzmusik wechseln wollten. „Beides gleichzeitig war damals nicht möglich.“

100jahrenAE040922Flach becrima Nicht so während des Gemeindefestes zur 100-Jahr-Feier. Da stimmte der mit befreundeten Bläserinnen und Bläsern unterstütze Jubiläumschor auch die einst verpönte „Teufelsmusik“ an. Eine kleine Zirkus-Suite etwa, die lautmalerisch Tanzbären in die Gemeindefest-Manege holte, flinke Haustiere musikalisch imitierte bis hin zur majestätischen Pferdedressur im Mondschein. Nicht nur diese wunderschöne Darbietung wurde im Pfarrhof mit lautstarkem Beifall bedacht. Schneiders Dank galt auch der Verstärkung aus Obertiefenbach, Bornich und Dachsenhausen. Dass der Chor im Jubiläumsjahr aus nur noch sieben spielfreudigen Leuten besteht, animiere zum Näherrücken.

Ein Umstand, den auch Organist und Mitbläser Dekanatskantor Markus Ziegler in seinem Grußwort lobend erwähnte, der mit der Dekanin des Dekanats Nassauer Land Kerstin Janott und dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nastätten Jens Güllering zur großen Gratulantenschar zählte. „Schön, dass unsere Posaunenchöre im Dekanat über den eigenen Kirchturm hinaus gemeinsam musizieren, sich gegenseitig bereichern und motivieren und bei unterschiedlichsten Anlässen ihre private Zeit einsetzen zum Lob Gottes und zur Freude der Menschen“, so Ziegler. Und das vielseitige Repertoire zeige, dass der Chor mit der Zeit gegangen sei und gehe.

Da brach sich zum musikalischen Gemeindefest hörbar Bahn, von dem im Motto gebenden Lied schon im Gottesdienst die Rede war: „Aus dem Golde der Posaunen schwingt sich hoch ins Himmelszelt Lobgesang und Halleluja und baut Brücken in die Welt.“ Und Dörte Schneider sprach allen Musikanten aus dem Herzen, als sie feststellte: „Für mich ist es immer wieder eine Freude, nach einem anstrengenden und zuweilen auch stressigen Tag abends gemeinsam zu musizieren. Es ist wie Balsam für die Seele.“ Bernd-Christoph Matern

Wer Lust auf eine Schnupperprobe hat: Der Posaunenchor probt in der Regel donnerstags von 19 bis 20.30 Uhr im Gemeindehaus der Kirchengemeinde.

Aus den Annalen des Posaunenchors

Lehrer Adolf Heuser aus Bacharach war der erste Dirigent des Nastättener Chores. Dann folgten Herr Cellarius aus Bad Schwalbach und Karl Schmidt aus Bogel sowie der junge Vikar Wilhelm Mathes. Der Krieg unterbrach auch in Nastätten die Posaunenchorarbeit. Anschließend griff Prediger Nitz die Proben wieder auf, bevor 1948 erneut Wilhelm Mathes, nun als Gemeindepfarrer von Nastätten, die Leitung des Chores übernahm. Um die Ausbildung der Blechbläseranfänger kümmerte sich die Gemeindeschwester Luise Gräb. 1984 übernahm Alwin Herbrechtsmeier die Leitung des Chores, dem 1987 Hannelore Birkholz folgte, die in mehr als 25 Jahren neuen Schwung in den Chor und das Liedgut brachte. 2014 übergab sie den Dirigentenstab an Norbert Leicher, der viel zu früh verstarb. Seit 2017 leitet Dörte Schneider den Chor. (bcm)

Zu den Fotos:

Sowohl im Festgottesdienst in der Kirche als auch davor stand der 100. Geburtstag des Posaunenchors im Mittelpunkt des Gemeindefestes der evangelischen Kirchengemeinde Nastätten. Fotos: Schreiner/Matern