WASHG0905Fuehrung2Bewegung becrima

Aufbruch am Europatag: Vom Gast zum Gastgeber werden

Interaktive Wanderausstellung am Sophie-Hedwig-Gymnasium in Diez motiviert zum Nachdenken übers Zusammenleben

RHEIN-LAHN. (12. Mai 2023) „Alle Deutschen sind pünktlich!“. Dass es sich dabei um ein Vorurteil handelt und wie man denen auf den Grund kommt, lässt sich an einer Wand herausfinden, die derzeit im Diezer Sophie-Hedwig-Gymnasium steht. Sie ist Teil einer Wanderausstellung der Jugendmigrationsdienste und nur ein Beispiel, mit denen die Jugendlichen für ein gelingendes Zusammenleben sensibilisiert werden können. Die mobile Schau mit dem Titel „YOUNIWORTH“ wurde passend zum Europatag in dieser Woche eröffnet.

WASHG0905SchmidtBegruesst becrima Spielerisch und interaktiv animiert sie sowohl die Pennäler als auch die zur Eröffnung anwesenden Erwachsenen zu einem respektvollen Umgang von Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln, indem sie zum Zuhören, Entdecken und Verstehen animiert. An die Ursprünge des friedlichen Europas wie die 1951 gegründete Montanunion, erinnert Schulleiter Dr. Frank Schmidt zum Auftakt, bevor sich namhafte Politiker per Videobotschaft an Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums wenden, das sich seit 2019 Europaschule des Landes Rheinland-Pfalz nennen darf. Um ein respektvolles Miteinander werben Europa-Ministerin Anna Lührmann, Bundestagsabgeordnete Tanja Machalet und Europaabgeordneter Ralf Seekatz, der auf europäische Programme hinweist, die den Austausch junger Menschen in ganz Europa fördern.

WASHG0905Lammert becrima

Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit

Dass es gar nicht selbstverständlich ist, seine Meinung frei äußern zu können und als friedvolle europäische Einheit leben zu können, sagt der Diezer Landtagsabgeordnete und Landtags-Vizepräsident Matthias Lammert. Das zeige nicht erst der Krieg in der Ukraine, sondern auch der dem Europatag vorangegangene 8. Mai, Gedenktag ans Ende des Zweiten Weltkrieges. Heute gebe es wieder Kräfte, die demokratische Strukturen unterwandern wollten. „Es kommt auf Euch an“, so Lammert, Demokratie und Freiheit wollten immer erarbeitet sein. „Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Tyrannei auf“, erinnert der Politiker die Pennäler an eine Spruchtafel im Landtag. Migration könne bereichernd sein, sowohl kulturell als auch mit Blick auf die fehlenden Fachkräfte in vielen Branchen.

WASHG0905Wick becrima

Neugierig sein und gemeinsam Neues aufbauen

Die Diezer Stadtbürgermeisterin Annette Wick erinnert an die seit vielen Jahren geleistete Integration in Diez, insbesondere in jüngster Vergangenheit seit 2015, als 800 Menschen in der Freiherr-vom-Stein-Kaserne untergebracht waren. Eine Riesenherausforderung sei das für die 11.000 Einwohner zählende Stadt gewesen, die aber dank des großen ehrenamtlichen Engagements gestemmt wurde. Niemand sei frei von Vorurteilen. Umso wichtiger sei es, sich erst mal kennen zu lernen, bevor man über andere urteilt oder sie gar verurteilt. Kommunikation, Neugier und gemeinschaftlich Neues aufzubauen nennt sie als wichtige Säulen, um Vielseitigkeit leben zu können, zu der es in der globalisierten Welt gar keine Alternative gebe.

WASHG0905Lefevre becrima Gegenseitiges Wahrnehmen statt erhobener Zeigefinger

Als Sozialarbeiterin und Respekt-Coach wisse sie, dass dies im Alltag nicht immer einfach umzusetzen ist, erklärt Ausstellungsorganisatorin Zarmina Ahmadi vom Jugendmigrationsdienst des Diakonischen Werkes Rhein-Lahn und ruft zur Kommunikation auf: „Reden bringt Respekt“. Begeistert von der Neugier der Schülerinnen und Schüler ist Rebecca Lefèvre vom Diezer Verein „gemeinsam-zusammen“, der sich in unterschiedlichsten Bereichen für ein nachhaltiges Leben und Zusammenleben einsetzt. „Und das nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern durch gegenseitiges Wahrnehmen“, so Lefèvre. „Vom Gast zum Gastgeber werden“, das sei für sie Migration. Die Schirmherrin der Ausstellung hatte mit den Jugendlichen unter anderem einen Workshop absolviert, damit das Thema nicht aus dem Blick gerät, wenn die Ausstellung weiterzieht. Auf einer Weltkarte kann markiert werden, wo die eigenen Wurzeln liegen.

WASHG0905Fuehrung1 becrima Schachmatt kommt aus dem Persischen

Begrüßt von Loreta Orani und Michael Krüger von der Schülervertretung geht es in der neuen Bibliothek der Schule ebenso unterhaltsam wie lehrreich zur Sache. Von Schülerinnen moderiert gibt es an den sieben Stationen mit Videos, Animationen oder ganz analog Fragen zu beantworten und Aufgaben zu erledigen. Zum Beispiel die, in kürzester Zeit einen Koffer mit dem zu füllen, was man in ein anderes Land mitnehmen würde. An anderer Stelle wird über die Frage nachgedacht, was Jugendlichen im Leben wichtig ist, was ihnen Heimat bedeutet und was sie sich für die Zukunft wünschen. Knifflig ist das Quiz, die Ursprünge von Wörtern zu erraten, die im deutschen Sprachgebrauch so vertraut sind, wie der aus WASHG0905Fuehrung3 becrima Grönland stammende Anorak, die italienische Matratze oder die Begriffe Schachmatt und Schal, die aus dem Persischen kommen. Die eingangs erwähnte Wand, die Aussagen über andere Menschen – Vorurteile, Stereotypen und Klischees – auf den Prüfstand stellt, wirkt auf den ersten Blick zwar etwas verwirrend, führt aber doch recht konkret und sachlich zu Denkanstößen, etwa denen, zu hinterfragen, sich mit neuen Leuten zu unterhalten und neugierig zu bleiben anstatt alles einfach nachzuplappern.

Apropos nachplappern: Mit ihrer Eigenkomposition mit dem vielsagenden Titel „Aufbruch“ erntet Lilia Kramm am Klavier sehr viel Beifall vom Publikum der Vernissage, den auch die Klasse 8c mit Jan Steinmann für ihr „America“ einheimst. Bis zum 17. Mai haben Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums noch die Gelegenheit, sich in der Ausstellung Anregungen zum Verstehen, Begegnen und Zusammenleben zu holen. Eine Schau, die sicher ebenso den Horizont Erwachsener erweitern könnte, waren sich die Anwesenden zur Eröffnung am Europatag einig. Bernd-Christoph Matern

Zu den Fotos:
Immer in Bewegung zu sein, prägt die Menschheitsgeschichte. Die Ausstellung „YOUNIWORTH“ der Jugendmigrationsdienste bringt auch die Gedanken von Schülerinnen und Schüler des Sophie-Hedwig-Gymnasiums in Diez noch bis 17. Mai für ein gelingendes Zusammenleben in der Zukunft in Schwung. Auch den erwachsenen Gästen der Vernissage gefiel die interaktive Schau. Fotos: Bernd-Christoph Matern