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In der Pandemie im Pfarramt von Nastätten angekommen

Abstandsregeln erschweren Kontakte zwischen Gemeinde und Seelsorger in Nastätten, sorgen aber für neue Formen

NASTÄTTEN/RHEIN-LAHN. (14. Dezember 2020) „Man lernt die Leute jetzt eher zwischen Tür und Angel kennen“, sagt Pfarrer Christopher Reif. Der Theologe hat im Sommer den Dienst in der evangelischen Kirchengemeinde Nastätten angetreten zusammen mit seiner Frau, Pfarrerin Constanze Reif. Wie sich während einer Corona-Pandemie überhaupt eine Gemeinde kennen lernen lässt, ist auch für die Gemeindeglieder in der Bienenstadt und den dazu gehörenden Orten Buch und Oelsberg eine völlig neue Erfahrung. Aber: „Es geht, wenn auch anders“, berichtet Christopher Reif, dessen Frau Constanze sich in Elternzeit befindet.

Veranstaltungsverbote, eingeschränkte Platzzahl bei Gottesdiensten. So viel Kontakt wie in einem Pfarramt üblich, war und bleibt erst mal unmöglich. Schon der Einführungsgottesdienst für die Beiden im Juni war von Abstand geprägt: Um mehr Menschen teilhaben zu lassen, wurde das Fest ins Freie verlegt mit markierten Sitzplätzen und einer beschränkten Besucherzahl. Normalerweise sind da nicht nur jede Menge Bekannte aus dem privaten Umfeld der Pfarrpersonen dabei; auch viele neugierige Gemeindeglieder, die die „Neuen“ sehen und kennen lernen möchten, sorgen für Enge in den Kirchenbänken.

Neben Akteuren und Kirchenvorstand gab's Corona-konform rund um die St. Salvator-Kirche nicht viel mehr als 60 Plätze. So fiel der Start ins neue Pfarramt schon erheblich kleiner aus als die Einführungen und Ordinationen an den ersten Wirkungsstätten im Dillkreis. Als Verlust haben das die Beiden nicht empfunden. Im Gegenteil: „Uns hat das sehr beeindruckt, wie viel Arbeit sich der Kirchenvorstand mit dem Hygienekonzept gemacht hat, um uns einen solch tollen Empfang zu bereiten“, so Reif. Sogar für Essen und Trinken war gesorgt. Selbst wer bei Einführungsgottesdiensten 200 Hände schüttele, lerne die Menschen ja erst mit der nötigen Zeit wirklich kennen. „Und jetzt dauert das vielleicht noch etwas länger.“

So pausieren manche Gemeindegruppen coronabedingt, die eine Pfarrperson üblicherweise besucht oder mit geistlichen Impulsen bereichert; die Frauenhilfe etwa, oder auch die Chöre. „Ich vermisse das Singen doch mehr, als ich dachte.“ Immerhin begleitet Reif ab und an wieder den kleinen Besuchsdienstkreis; „wichtig finde ich auch, dass die Kleiderkammer wieder geöffnet hat“. Als Kontaktplattform fallen Geburtstagsbesuche im großen Kreis weg. „Normalerweise ist man natürlich viel mehr unter den Menschen“, sagt Reif und erinnert an Zeiten als Vikar in Flacht oder an der ersten Pfarrstelle in Dörfern des Dillkreises: „Da war bei runden Geburtstagen schon mal das halbe Ort auf den Beinen und man hat viele Leute gesprochen“. Die jetzigen schriftlichen Grüße kommen aber an, wie viele Dankesanrufe zeigen.

Der Pfarrer nimmt eine wachsende Bereitschaft wahr, sich auch in neuen Formen ansprechen zu lassen. „Wir müssen uns in den neuen Kommunikationsformen ja auch erst trainieren.“ Sehr gut klappt das im Austausch mit Konfirmandinnen und Konfirmanden. Der Unterricht des neuen Jahrgangs läuft komplett über Videokonferenzen. „Und ich habe den Eindruck, dass es da manchen Jugendlichen sogar leichter fällt mitzureden als im Gemeindehaus; vielleicht weil sie die eigenen vertrauten vier Wände um sich haben“.

Vor allem bei Gesprächen zu Kasualien, also bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen, lernen die Menschen der Kirchengemeinde Nastätten ihren neuen Seelsorger kennen. „Wobei es dieses Jahr keine Trauungen gab, weil die geplanten aufgrund mangelnder Feiermöglichkeit verschoben wurden“. Positiv wertet er die Kindtaufen, die im Sommer als Sonderandachten ins Freie verlegt wurden und auf positive Resonanz stießen. Schwieriger stellt sich die Situation für die Seelsorge da, wenn ein Mensch Kummer hat und geistlichen Beistand sucht. Das Telefon ist wichtiger denn je, nicht nur, um Termine und Treffpunkte zu vereinbaren. Auch Seelsorgegespräche am Telefon gehören während der Corona-Pandemie zu einem festen Bestandteil im Tagesablauf des Theologen.

In Trauerfällen bleibt für Reif der direkte Kontakt unersetzlich. „Da helfen keine modernen Medien“, erzählt der Seelsorger von Beerdigungsgesprächen in den Trauerhäusern. „Man kann mit Angehörigen auch Stille gemeinsam teilen, das geht.“ Sehr belastend sei aber, wenn man seit November solche seelsorglichen Gespräche mit Gesichtsmasken führe. Für viele Trauernde sei neben dem Abschiedsschmerz zudem sehr bitter, wenn bei Bestattungen ausgewählt werden muss, wer von Verwandten daran teilnehmen darf, ganz zu schweigen von Angehörigen, die Verstorbene vor deren Tod nicht mehr besuchen durften. Reif: „Es gibt mehr Bedarf an Trauernachbegleitung als vor Corona.“

Advent und Weihnachten sollen trotzdem Hoffnung in die Häuer bringen. Der seit Jahren praktizierte lebendige Adventskalender muss zwar pausieren. Aber die Kirchengemeinde verschickt knapp 2000 von der Kindertagesstätte gestaltete Briefe und Grüße an die Gemeindeglieder, die zeigen sollen: „Wir denken an euch!“ Der Clou: Alle Briefe sind vom Kirchenvorstand und anderen Engagierten handschriftlich verfasst. Und Reif könnte sich vorstellen, dass damit sogar mehr Menschen erreicht werden, als sonst an den Feiertagen in die Kirche kämen. Bernd-Christoph Matern

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Abstandsregeln, reduzierte Besucherzahlen bei Gottesdienste und Kontaktverbote – so starteten Christopher und Constanze Reif im Sommer ins neue Pfarramt in Nastätten. Das Kennenlernen der Gemeindeglieder funktioniert trotzdem, auch wenn's länger dauert. Foto: Matern