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Hoffnung braucht neue Formen und Konzepte

Propst Schütz macht vor Synode des evangelischen Dekanats Nassauer Land Mut zur Veränderung

DSSchuetzAmPult becrima RHEIN-LAHN. (2. Juli 2021) Nach anderthalb Jahren traf sich die Synode des evangelischen Dekanats Nassauer Land erstmals wieder in analoger Form zu einer Tagung. Im Bürgerhaus von Miehlen fanden 76 Stimmberechtigte und der Dekanatssynodalvorstand (DSV) in hygienegerechtem Abstand Platz; das DRK Nastätten hatte sämtliche nicht vollständig geimpften Personen zuvor getestet; öffentlich übertragen wurde die Tagung des „regionalen Parlaments der Kirche“, das Evangelische in 161 Orten und Städten vertritt, im Internet.

So waren Corona, deren Auswirkungen und Zukunftsperspektiven bestimmende Themen in den Lageberichten. „Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass wir alle und dass wir global wesentlich verletzlicher sind, als wir dachten“, sagte der Propst für Rheinhessen und das Nassauer Land Dr. Klaus-Volker Schütz und dankte Ehren- und Hauptamt in Kirchengemeinden und Dekanat für das Öffnen von Räumen der Besinnung, das Herz für die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten und seelsorglichen Trost sowie dafür, dass Neues ausprobiert wurde von digitalen Formen bis zu Andachten an der Haustür. „Unsere Gemeinden sind nahe bei den Menschen in den Dörfern und Städten und schauen, was gebraucht wird“, so Schütz. Es gelte, nahe am christlichen Auftrag zu bleiben, dann „sind wir die fremde Stimme in den Kliniken, die das oft einsame Sterben thematisiert, das Ohr, das von außen kommt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Aufmerksamkeit brauchen.“ Eine der jetzt wichtigsten Fragen sei „Wie können wir Hoffnung geben?“ und nicht, wie schnell wieder getan werden kann, was immer getan wurde. Schütz: „Die Hoffnung braucht neue Formen und neue Konzepte“.

Wir waren alle verunsichert

DS010721Weigel becrima Existenzielle Fragen von Kirche stellte Dekanin Renate Weigel in ihrem Blick aufs Corona-Jahr mit verschlossenen Kirchentüren, ohne Gottesdienste, gemeinsames Singen und Abendmahl. „Wer sind wir als Kirche, wenn wir einander nicht besuchen. beistehen, berühren, spüren dürfen?“ Der Vorwurf, sich nicht mit lauter Stimme gewehrt zu haben, als Leute in Krankenhäusern und Altenheimen alleine starben, sei nicht völlig zu entkräften. „Alle waren wir verunsichert.“ Als es später erlaubt wurde, habe die Seelsorge etwa im Haus Hohe Lay in Nassau mit seinen vielen Covid-Erkrankten Extra-Einsätze geleistet. „Da ist längst noch einiges offen, was richtig weh tut“, sagte Weigel, und doch hätten alle in den Gemeinden versucht, Kirche und Gemeinschaft lebendig zu halten. Erfrischend, erhellend und Mut machend habe sie empfunden, wie junge Pfarrpersonen gezeigt hätten, wie Impuls, Verkündigung und Kontakt auf digitalen Wegen möglich sind.

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Ein anderes wichtiges Thema sei der Blick auf menschenunwürdige Zustände in den Flüchtlingslagern der europäischen Außengrenzen gewesen; da brauche es weiterhi

n Aufmerksamkeit. Außerdem wurde ein Schutzkonzept zum Kindeswohl für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den Kirchengemeinden entwickelt, das in diesem Jahr an die Kirchenvorstände geht mit der Bitte, entsprechende Schutzbeauftragte zu bestimmen. Mit Blick auf die im kommenden Jahr neue Synode und Dekanatsleitung fragte die Dekanin, ob man nach Corona überhaupt will, dass alles so „wie früher“ wird. Weigel: „Haben wir eine neue Beweglichkeit gewonnen, Improvisationstalent entwickelt? Ich glaube, das können wir brauchen“.

Weniger Verwaltung, mehr Gestaltung

Viel Beifall erhielt die Vorsitzende der Synode Anja Beeres für ihre positiven Erwartungen an Veränderungen: „Ich habe DS010721YouTubeBeeres becrima Lust, Veränderungen zu gestalten und nicht immer nur Mangel zu verwalten, Neues auszuprobieren, und ich hätte Lust auf weniger Verwaltung und mehr Gestaltung.“ Positives entdeckte sie in den vielen digitalen Zoom-Sitzungen des DSV: „Es hat nach einer langen Sitzung auch mal gut getan, einfach nur den PC auszuschalten anstatt noch durch den halben Rhein-Lahn-Kreis nachhause zu fahren.“ Schwierig sei die Kirchenvorstandswahl gewesen mit fehlenden Gemeindeversammlungen im Vorfeld. Traurig stimme sie, dass es in den Kirchengemeinden Kaub/Lorch, Nochern und Scheuern nicht genügend Kandidierende für die Wahl neuer Kirchenvorstände gegeben habe; ab März 2022 übernimmt der DSV diese Aufgabe.

Ein dickes Dankeschön richtete sie an die Geschäftsstelle der evangelischen Kindertagesstätten im Dekanat, den stellvertretenden Dekan Christian Dolke und die Kita-Fachberatung Katja Wüst sowie alle Kirchengemeinden mit Kitas, die in der Pandemie im Wochenrhythmus mit neuen Regelungen und Verordnungen konfrontiert wurden, die sie umzusetzen mussten.

Intensiver mit Sterbehilfe beschäftigen

DS010721Schuetz becrima Propst Schütz wünschte sich mehr Zeit, sich auf Dekanatsebene mit der Debatte um die Sterbehilfe zu beschäftigen. Das vom Bundesverfassungsgericht hoch veranschlagte Selbstbestimmungsrecht sei theologisch nicht zu kritisieren. Zu fragen sei aber, ob bei selbstbestimmtem Suizid die freie Selbstbestimmung nicht idealisiert werde. „In vielen Fällen ist Suizid ja gerade nicht Ausdruck freier Entscheidung, sondern tiefster Verzweiflung und psychischer Erkrankung“. Es werde immer Situationen geben, in denen es gut ist, Menschen vor einer Entscheidung zu schützen, die nicht rückgängig gemacht werden kann.

Außerdem sei kritisch zu hinterfragen, ob ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben notwendigerweise die Verpflichtung für den Staat beinhaltet, einen Suizid zu ermöglichen. Bernd-Christoph Matern

Hier lesen Sie einen Beitrag zu den Finanzbeschlüssen der Synode: Neue Richtlinie fördert Konfi-Freizeiten, Ehrenamt und Kooperationen

Zu den Fotos:
Nach der letzten analogen Tagung im November 2019 trafen sich die Stimmberechtigten der Synode des evangelischen Dekanats Nassauer Land jetzt erstmals wieder in Miehlen in Präsenzform. Corona prägte die Lageberichte von Propst, Dekanin und der Vorsitzenden. Fotos: Matern