
Empörung anno 1525: Reformationsspiel um Skandal-Heirat
Schauspiel zum Nachdenken lockte viele Menschen in die evangelische Kreuzkirche von Holzhausen
HOLZHAUSEN/RHEIN-LAHN. (5. November 2025) Voll besetzt war die evangelische Kreuzkirche in Holzhausen, als dort ein besonderes Reformationsspiel dargestellt wurde: „Wie Martin Luther zu seiner Frau Käthe kam“ hatte die ehemalige Dekanin Renate Weigel ihr Schauspiel in Reimen überschrieben, das einen ebenso unterhaltsamen wie tiefsinnigen Blick in die Ereignisse rund um das Jahr 1525 bot und dabei noch einen Bogen ins Heute schlug.
Die Eheschließung Luthers mit Katharina von Bora war damals ein Skandal. Die Mimen im Altarraum zeigen in historischen Gewändern, wie der Ratsherr Leonhard Koppe (alias Josef Vrablik) Kopf und Kragen riskierte, um zwölf Nonnen zur Flucht in Heringsfässern aus dem Kloster Nimbschen zu verhelfen, die von Luthers „Freiheit eines Christenmenschen“ gelesen hatten und das wörtlich nahmen. Sie „unter die Haube zu bringen“, ist nun Luthers Aufgabe, um Aufsehen zu verhindern. Die eigensinnige Katharina von Bora (graziös gespielt von Susanne Schmitter) will trotz Bemühen um andere Gatten, Luther selbst zur Ehefrau werden. Ein bewegender Moment, als die Beiden ohne Mönchskutte und einfaches Nonnengewand vor den Holzhausener Traualtar schreiten. „Viel Klatsch und Geschwätz hat es da gegeben“, lässt Renate Breidenbach als souverän
erzählender Herold das Publikum wissen. Die Frauen auf der Straße (Birgit Hausen, Christel Schumannn und Renate Weigel) lassen Volkes Stimme hören und das Ausmaß des Skandals erahnen, das heutzutage wohl für einen Shitstorm in asozialen Medien sorgen würde. „Das Heilige leben, und es im Alltag finden, nicht das Geistliche hier und das Weltliche da, sondern beides zusammenbinden“, ist im Spiel Luthers Antwort auf historische wie aktuelle Scheinheiligkeit.
Ganz privat, deftig und lebensnah kommt der von Michael Schmitter kraftvoll und authentisch gegebene Luther ins Kirchenschiff. Vom Stillen, Kacken und der Ehe als Schutz fürs intime Tun ist da die Redein der sechs Kinder zeugenden Ehe. „Wenn ein Mann hingeht und wäscht die Windeln oder kümmert sich sonst um das Kind, und alle spotten über ihn und halten ihn für einen weibischen Mann; wenn er’s aber im christlichen Glauben tut, wer hat dann am Ende den größten Spott?“, hat Renate Weigel, die auch als Regisseurin fungierte, den Protagonisten ins Textbuch geschrieben auf der
Grundlage historischer Schriften von Luther selbst. Zum Ende schlägt sie den Bogen ins Heute, der einst auch Luther ein Gräuel gewesen wäre, wenn die Magd von gleichgeschlechtlichen Paaren berichtet, die sich von Herzen gern haben und zusammen sind. „Gottes Lieb ist da für den, der sie nimmt und trägt. Sie ist auch bei der Magd, die einfach nur die Stube fegt“, ende das Schauspie.
Thomas Christ sorgt erläuternd für den historischen Rahmen für das Spiel und lädt am Ende zum Beten von Luthers Abendsegen ein. Ein Bläsertrio verleiht dem Schauspiel die Fanfarentöne und Gaby Bindczeck begleitet an der Orgel unter anderem zur Reformationshymne „Ein feste Burg ist unser Gott“, bevor sich die vielen Gäste den vom Kirchenvorstand kredenzten „Speis und Trank“ in und rund ums Gotteshaus munden lassen. Wie immer hatte die Arbeitsgemeinschaft Technik des Wilhelm-Hofmann-Gymnasiums in St. Goarshausen gekonnt für Ton und Beleuchtung gesorgt. Die Inszenierungen in Holzhausen zum Reformationsfest gibt es bereits seit der Corona-Pandemie. Bernd-Christoph Matern
Zu den Fotos:
Rund 200 Gäste ließen sich zum Reformationsfest in Holzhausen mit einem Spiel aus der Feder der ehemaligen Dekanin Renate Weigel in die damals skandalöse Hochzeit zwischen Martin Luther und „dem entflohenen Nönnchen“ Katharina von Bora in Bann ziehen und Denkanstöße für heutige Aufregung geben. Fotos: Matern
