
Reformationsfest 2025
Zwischen sinnvollen Reformen und der Sehnsucht nach Sicherheit
Gib mir 'n kleines bisschen Sicherheit
in einer Welt, in der nichts sicher scheint.
Gib mir in dieser schnellen Zeit irgendwas, das bleibt.
Gib mir einfach nur 'n bisschen Halt
und wieg mich einfach nur in Sicherheit!
Hol mich aus dieser schnellen Zeit,
nimm mir ein bisschen Geschwindigkeit.
Gib mir was, irgendwas, das bleibt.
(Silbermond, 2009)
RHEIN-LAHN. (31. Oktober 2025) Der Text der Gruppe Silbermond scheint ein Gegenentwurf zum heutigen Reformationstag zu sein, mit dem die evangelische Kirche quasi ihren Geburtstag feiert. Aber der Mönch Martin Luther hatte seine 95 Thesen am 31. Oktober 1517 ja nicht ans glaubende Volk, sondern an die kirchlichen Gelehrten gerichtet, kaum ahnend, welche Reform er damit auslöste.
Der Satz „Ecclesia semper reformanda est“, der so viel bedeutet wie „Die Kirche ist immer zu reformieren“, den der Theologe Karl Barth in der Neuzeit in Kirchenkreisen wieder populär gemacht hat, wird in diesen bis heute gern verwendet, um in der Institution Kirche – in der katholischen wie der evangelischen – Lehre und Strukturen auf den Prüfstand zu stellen. Eigentlich ein sinnvoller Gedanke, den Grund kirchlichen Handelns in Erinnerung zu rufen, auch wenn gern darüber gestritten wird, wie dieses „re“ als „zurück“ übersetzt, im Re-formieren zu interpretieren ist. Da gab und gibt es manches Kontra. Geht es ums Umformen, Erneuern, gar ums Verbessern? Und über die Frage, die das „re“ am wörtlichsten nimmt (im digitalen Zeitalter wäre ein reset wohl passender) „Was würde Jesus dazu sagen?“ lässt sich in theologischen Kreisen sicher vortrefflich streiten.
Ein Widerspruch zum Silbermond-Text ist das freilich nicht, vielleicht könnte dieser sogar ein Orientierungskriterium kirchlicher Reformideen sein. Das Lied spricht ein menschliches Grundbedürfnis aus. Fast könnte man meinen, er wäre brandaktuell, obwohl ihn Johannes Stolle, Thomas Stolle, Stefanie Kloß und Andreas Jan Nowak schon vor gut 26 Jahren schrieben. Die Sehnsucht nach Sicherheit dürfte schon in Luthers Zeiten ebenso stark gewesen sein, wenn nicht sogar noch größer, zumiindest waren die Lebensbedigungen weitaus grauenvoller als heute.
Was verunsichert heute? Angst vor Krieg, Angst vor einem Mehr an Naturkatastrophen, Angst, dass sich die Polarisierung in der Gesellschaft in Gewalt entlädt, Angst, dass sich die pausenlose mediale Flut an Schreckensmeldungen aufs eigene Gemüt auswirkt – all das steckt im Refrain des Liedes. Und dann sind es vor allem die Ängste im privaten Umfeld, die noch viel stärker weil viel unmittelbarer verunsichern: wie sicher ist der Arbeitsplatz, das Einkommen, was bedeutet eine schlimme Krankheitsdiagnose, wie entwickeln sich die Kinder, wie geht es den Eltern oder wie geht es nach dem Tod eines geliebten Menschen weiter?
Nicht nur Kirche und anderen Organisation sowie jedem Wirtschaftsunternehmen tun Reformationstage gut, um zu überprüfen, ob Sagen und Handeln noch mit der „Satzung“ übereinstimmen und zeitgemäß sind. Auch im Privaten mögen Veränderungen unausweichlich sein, so sehr sich der Mensch nach Beständigkeit und Sicherheit sehnt. Kontraproduktiv erscheint da eher der alljährliche Ruf, Feiertage (der 31. Oktober ist in neun Bundesländern arbeitsfrei) zugunsten des Wirtschaftswachstums zu streichen, wie er jetzt aus Nordrhein-Westfalen kam. Vielmehr kann ein freier Tag mehr dazu dienen, sich ganz bewusst damit auseinanderzusetzen, wo im eigenen Leben Reformen sinnvoll sind.
Bei allen gesellschaftlichen und persönlichen Veränderungen findet die Christenheit im Glauben an Gott Sicherheit und Halt. Für sie ist er eine feste Burg, lässt Ängste in Freude verwandeln und verleiht Frieden, wie Martin Luther dichtete. Bernd-Christoph Matern
Denkanstöße liefern auch Veranstaltungen zum Reformationsfest im Dekanat Nassauer land. Hier einige Beispiele.
