Evangelische Kaiser-Wilhelm-Kirche in Bad Ems wurde vor 120 Jahren erbaut

 BAD EMS. (21. August 2019) An die 120-jährige Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Kirche erinnert in diesem Jahr die evangelische Kirchengemeinde Bad Ems. Die Kirche selbst ist derzeit aus Gründen der Sicherheit nicht zugänglich. Sie liegt seit zwei Jahren im Dornröschenschlaf und wartet auf eine umfangreiche Sanierung und die Realisierung des neuen Nutzungskonzeptes der Kirchengemeinde. 

Eine „Badekirche“ für den Kurort 

Der Wunsch nach einer eigenen „Badekirche“ für das Kurbad entstand in den 1860-er Jahren, weil die evangelischen Kurgäste den Weg ins Dorf zur Martinskirche für unzumutbar hielten. Man begann unter den Kurgästen zu sammeln, und sogar deren prominentester, Kaiser Wilhelm I., befürwortete das Projekt, später auch Kronprinz Friedrich III. Als jedoch beide 1888 gestorben waren, bedeutete das einen gewaltigen Dämpfer. Hilfe brachte ein weiterer Kurgast: Pastor Friedrich von Bodelschwingh aus Bethel. Er ließ seine Beziehungen spielen und erreichte, dass eine Kommission aus Berlin anrückte und das Bedürfnis nach einer Kirche mit rund 600 Sitzplätzen hochoffiziell feststellte.

Kaiser Wilhelm II. gab ein „Gnadengeschenk“ von 50.000 Mark, von der westfälischen Diakonissenanstalt Sarepta in Bethel, dessen Leiter Pastor von Bodelschwingh war, kam ein Darlehen von 35.000 Mark, die Kirchengemeinde steuerte eine Sammlung von 5.000 Mark bei, Sanitätsrat Dr. Vogler gab weitere 3.000 Mark. Zusammen mit weiteren Sammlungen unter den Kurgästen kamen die veranschlagten Baukosten zusammen. Der Kirchenvorstand der Gemeinde freilich wollte nur eine vollständig bezahlte Kirche unter seiner Regie, daher nahm Sarepta die Sache in eigene Hände und stemmte den Bau mit Regierungsbaumeister Karl Siebold. Kaiser Wilhelm II. fand 1897 den Bauplan „sehr geschmackvoll und stylgerecht“. Am 21. Juni 1898 konnte die Feier der Grundsteinlegung begangen werden und nur rund 14 Monate später, am 15. August 1899, die Einweihung. Beinahe 30 Jahre waren seit den Vorüberlegungen vergangen. Die Baukosten betrugen am Ende 160.000 Mark.

Neoromanisches Monument mit Stilmix

Die Kaiser-Wilhelm-Kirche ist ein sehr kompakter Baukörper in der Grundform des Lateinischen Kreuzes, der durch zwei Anbauten in den Ecken der Kreuzarme ergänzt wird. Der Glockenturm liegt folgerichtig in der nordwestlichen Ecke aus Haupt- und Querschiff und bildet im Untergeschoss den hangseitigen Haupteingang. Grundstücksgröße und Hügellage haben diesen Grundriss bestimmt.

Die äußere Erscheinung der Kirche ist vollständig als steinsichtiges Quadermauerwerk im Stile einer romanischen Kirche konstruiert. Anders als die historischen Vorbilder erhält das Mauerwerk seine Monumentalität jedoch nicht durch massive Steinblöcke in Mauerstärke, sondern durch eine vorgeblendete dünnwandige Natursteinbekleidung vor dem eigentlichen, tragenden Mauerwerk aus Backsteinen. Vor allem im Inneren weist das Gebäude - wie viele um die Jahrhundertwende entstandene Sakralbauten - einen gewissen Stilmix auf. So erinnert der hölzerne Dachstuhl an eine nordische Stabkirche, die Gestaltung der Fensterrosen ist eher gotischen Ursprungs, der Marmor-Altar wiederum spätklassizistisch.

Bemerkenswert in der Ausgestaltung als „Badekirche“ ist die offensichtliche Verbindung des heilenden Wassers der Kur mit dem Wasser des Lebens, das von Gott her fließt; entsprechend kommt der Farbe Blau eine große Bedeutung zu. Insgesamt zeigt sich die Kirche als ein bedeutender Bau des Historismus im neoromanischen Stil, der vor allem im protestantischen Deutschland als „nationaler Baustil“ angesagt war. 1922 konnte dank grassierender Inflation ein Darlehen abgelöst werden, und die Kirchengemeinde übernahm 1923 ein hypothekenfreies Gebäude.

Die Sehenswürdigkeit steht nicht stabil

Fraglos gehört die Kaiser-Wilhelm-Kirche zu den Sehenswürdigkeiten von Bad Ems. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts begann das Gebäude seinen Charakter als Gemeindekirche zu verlieren, wurde aber gerne als Konzertkirche und für größere gemeindliche Anlässe genutzt. Im Jahr 2017 musste es wegen mangelnder Bausicherheit für das Publikum geschlossen werden. Bereits erkennbare Schadensbilder an Dächern, Fassaden und der kompletten Architekturraumschale lassen eine tiefe Schädigung des Baugefüges vermuten. Klaffende Fugen, Schiefstellungen und ein deutlicher Steinversatz an zahlreichen Stellen weisen auf einen gestörten Mauerverband hin. Es droht ein Versagen der Tragfähigkeit der Außenschale. Auch die Gesimse, Pilaster und andere Zierelemente zeigen massive Schädigungen, zum Teil mit der Gefahr des Abbruchs.

Mit Geduld, Beziehungen und Zuversicht auf dem Weg zur Sanierung

Eine belastbare Kostenschätzung gibt es noch nicht, gleichwohl hat die evangelische Kirchengemeinde begleitend zu den Vorarbeiten ein zukünftiges Nutzungskonzept entworfen: Die Kirche soll nicht nur ihr selbst dienen, sondern auch öffentliche Bühne für Konzert und Theater sein sowie Ort des diakonischen Engagements und der Bildung sein. „Wie der Kurbetrieb insgesamt das Ziel verfolgt, dass Menschen an Leib und Seele heil werden können, so ist auch das künftige Nutzungskonzept der Kaiser-Wilhelm-Kirche genau darauf ausgerichtet“, sagt Gemeindepfarrerin Lieve Van den Ameele.

Als Zeichen für die zuversichtliche Haltung zum Projekte Kaiser-Wilhelm-Kirche hat sich ein Förderverein gebildet, der den Kirchenvorstand bei den komplexen Bau- und Finanzierungsfragen unterstützen möchte. Einen Kaiser, der das Vorhaben prominent mit anschiebt, gibt es nicht mehr, dafür müssen die Stadtgesellschaft, der Landkreis und das Land Rheinland-Pfalz mit im Boot sein. Und was schon beim Bau für die langen Jahre zwischen Wunsch und Wirklichkeit angezeigt war, ist heute ebenso vonnöten: Geduld, Beziehungen und Zuversicht. Der Kirchenvorstand bittet um Gottes Geleit für die anstehenden Entscheidungen. Wilfried Steller