Evangelisches Parlament beschäftigte sich außerdem mit Missbrauch, Frieden, Flucht und Finanzen

 

 FRANKFURT/RHEIN-LAHN. (3. Dezember 2018) Die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat am Samstag in Frankfurt ihre Herbsttagung beendet. Seit Mittwoch hatten die 140 Delegierten unter dem Vorsitz von Präses Ulrich Oelschläger über mehr als 30 Tageordnungspunkte beraten. Das mit einem Parlament vergleichbare Gremium stellte dabei die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare endgültig gleich, forderte eine stärker an den Hilfesuchenden orientierte Flüchtlingspolitik und beschloss den Haushalt für das kommende Jahr über 700 Millionen Euro.

 

Die in Hessen-Nassau bereits seit 16 Jahren möglichen Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren heißen ab 1. Januar 2019 damit auch offiziell Trauungen. Gleichzeitig wurde der bisherige Vorbehalt bei Trauungen gleichgeschlechtlicher Paare für einzelne Kirchenvorstände oder Pfarrerinnen und Pfarrer abgeschafft. Stattdessen gilt hier nun die allgemeine Praxis wie bei allen Amtshandlungen. Sie sieht vor, dass Pfarrerinnen und Pfarrer aus seelsorglichen Erwägungen oder Glaubensüberzeugungen, die nach eigener Ansicht gegen Schrift und Bekenntnis verstoßen, eine Amtshandlung im Einzelfall ablehnen können.

 

Flüchtlinge: Menschlichere Politik gefordert

Die Synode bekräftigte ihre Position für eine menschlichere Flüchtlingspolitik. Einstimmig verabschiedeten die Delegierten ein Positionspapier, das unter anderem die bisherige Verhinderung der Familienzusammenführung scharf kritisiert. So müsse das „verbriefte Recht“ für den Nachzug von Familienangehörigen für alle international Schutzberechtigten gelten, heißt es in dem Synodenwort. Die hessen-nassauische Kirche hat seit 2014 über 20 Millionen Euro für die eigene Flüchtlingshilfe bereitgestellt.

 

Finanzen: Haushalt über 700 Millionen Euro gebilligt

Beschlossen wurde auch der Haushalt für 2019. Der gesamtkirchliche Etat sieht für das kommende Jahr Aufwendungen in Höhe von rund 700 Millionen Euro vor. Für die Arbeit auf Gemeinde- und Dekanatsebene sind im neuen Haushalt insgesamt 340 Millionen Euro eingeplant. Rund 47 Millionen Euro an Eigenmitteln sind daneben unter anderem für die Arbeit in Kindertagesstätten vorgesehen. Für das Handlungsfeld Bildung sind 40 Millionen Euro veranschlagt. Für den Erhalt der Gebäude sind fast 38 Millionen Euro Zuweisungen eingeplant. Der Personalplan sieht unter anderem vor, mehr Fachpersonal für Baufragen einzustellen und die Nachwuchssuche in allen kirchlichen Berufen zu verstärken.

 

Frieden: An Fragen grundsätzlich weiterarbeiten

Genau 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und in Zeiten von zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen in vielen Teilen der Erde, hat die Herbstsynode dem Thema Frieden einen wichtigen Stellenwert eingeräumt. Bis zum Frühjahr 2019 möchte sie nicht nur eine Stellungnahme zum Thema Frieden auf den Weg bringen, sondern auch Anstöße geben, wie in allen kirchlichen Feldern das friedensfördernde Handeln gestärkt werden kann.

 

Sexualisierte Gewalt: Thema löst tiefe Betroffenheit aus

Tiefe Betroffenheit unter den Delegierten hat die Beschäftigung mit dem Thema sexualisierte Gewalt ausgelöst. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung bezeichnete es vor der Synode als „unabweisbare Verpflichtung“, sich dem „Schmerz und dem Leid der Menschen zu stellen, die in der Kirche unter sexualisierter Gewalt gelitten haben und immer noch leiden“. Er sagte zu, dass die hessen-nassauische Kirche auch weiterhin alles tun werde, um das geschehene Unrecht anzuerkennen, Aufarbeitung noch grundlegender als bisher zu ermöglichen und Leid zu lindern. Seinen Angaben zufolge hat es nach derzeitigem Kenntnisstand seit Gründung der hessen-nassauischen Kirche im Jahr 1947 bis heute 50 Fälle eines Verdachts auf Missbrauch gegeben. Darunter seien 16 Pfarrer. Die Zahlen schlössen nach derzeitigem Wissen auch die evangelischen Heime im Kirchengebiet mit ein, auf die ein Großteil der aktuell bekannten Anschuldigungen entfällt.

 

Kirchentag: Vorbereitungen haben begonnen

Über den Stand des – nach Berlin und München – dritten ökumenischen Kirchentags (ÖKT) in Frankfurt im Jahr 2021 informierte die ÖKT-Beauftragte Miriam Küllmer-Vogt. Neben Hessen-Nassau und dem Bistum Limburg beteiligen sich inzwischen auch die Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Bistümer Mainz und Fulda sowie die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Hessen-Rheinhessen an den Vorbereitungen für das Großereignis. Für die gastgebenden Kirchen sei es bereits jetzt wichtig, regionale Themen in das Gesamtprogramm des Ökumenischen Kirchentags einzubringen. So konnten die Synodalen des evangelischen Dekanats Nassauer Land in ihrer Herbsttagung in Dachsenhausen Ideen für das Ereignis notieren. Für Februar sei nun ein „Inspirationsabend“ zur Themenfindung mit über 100 Teilnehmenden vorgesehen, wo die Ideen diskutiert werden sollen, so Küllmer-Vogt.

Landessynodaler Frank Puchtler wies das Gremium auf einen ersten ökumenischen Kreiskirchentag im Limeskastell in Pohl am Pfingstmontag kommenden Jahres hin. Der ökumenische Gottesdienst in der geografischen Mitte des Rhein-Lahn-Kreises, dessen Landrat Puchtler ist, passe perfekt zum Slogan des Kreises: „Wir bringen's zusammen“. Die ökumenische Premiere an der Bäderstraße könne auch Vorfreude auf das Großereignis in Frankfurt wecken. „Mit der Veranstaltung möchten wir den Schwung aus dem Reformationsjahr aufgreifen“, so Puchtler. Er habe im Reformationsjahr den Menschen vor allem die Freude über die Gemeinsamkeiten des Christseins abgespürt und immer wieder den Satz „Gemeinsam sind wir stark“ gesagt bekommen.

Ausführliche Berichte zu den Tagesordnungspunkten finden Sie hier.

 

Reform bei Pfarrhäusern und Wahlordnung

Die in Frankfurt tagende Kirchensynode hat schließlich auch für Gemeinden und Dekanate wichtige interne Änderungen beschlossen. So kann künftig der Umgang mit Pfarrhäusern vor Ort flexibler gestaltet werden und wird die bisherige Residenzpflicht von Pfarrerinnen und Pfarrern gelockert. Außerdem überarbeitete die Synode die Wahlordnung für Kirchenvorstände. Dies soll Gemeinden die Arbeit mit Ehrenamtlichen erleichtern helfen. Schließlich für Dekanate wichtig: Auch die Posten der stellvertretenden Dekaninnen und Dekane müssen künftig offiziell ausgeschrieben werden und können nicht mehr wie bisher vor Ort einfach als Zusatzauftrag vergeben werden. Die Details zu diesen Entscheidungen erscheinen wie immer im Amtsblatt der EKHN.

Zum Foto (links):

Vor dem Sitzungssaal informierte die Referatsgruppe „Kirchliches Bauen“ der EKHN über Methoden zur nachhaltigen und zukunftsweisenden Gebäudestrategie. Joachim Bay (von rechts), der in der Regionalverwaltung in Nassau seinen Dienstsitz hat, informierte die Rhein-Lahn-Synodalen Frank Puchtler (Oberneisen), Bärbel Goercke (Reichenberg), Yvonne Fischer (Friedland) und Astrid Ellermann (Aull), welche Herausforderungen mit der Gebäudeunterhaltung auf die evangelischen Kirchengemeinden im Dekanat Nassauer Land i den kommenden Jahren zukommen. Im Haushalt für 2019 hat die Kirchensynode insgesamt 38 Millionen Euro Zuweisungen für den Erhalt von Kirchengebäuden eingeplant. Fotos: Matern