DemoNa230324Menge becrima

In Nassau Rechtsextremismus und Regen getrotzt

Privatinitiative rief zur Demonstration auf – Dekanin wirbt um Respekt, Vielfalt und Dialogbereitschaft im Nassauer Land

 NASSAU/RHEIN-LAHN. (24. März 2024) „Wir sind mehr!“ skandieren Sprechchöre von Menschen, die sich am Wochenende vor der Nassauer Stadthalle eingefunden haben. Sie wollen ihre Ablehnung der AfD gegenüber, die sich darin versammelt, lautstark bekunden. Das ist in der Tat so. Trotz Regenwetter und Kälte haben sich zwischen 500 und 700 Demonstranten versammelt, um der schätzungsweise zweistelligen Teilnehmenden-Zahl in der Halle Kontra zu bieten.

DemoNa230324DekaninSchirm becrima Die angemeldeten Gäste der Parteiveranstaltung genießen sichtlich den Empfang mit Trillerpfeifen und Hupen und sonnen sich im aufkeimenden Geräuschpegel, wann immer sie zur Halle gehen oder aus ihr herauskommen, provozieren geradezu das bunte Bad des Protestes. Gegen die Lautstärke am Amtsplatz hat es zunächst auch die Dekanin des evangelischen Dekanats Nassauer Land Kerstin Janott schwer, Begrüßungsworte an die Menschen zu richten. Sie dankt den Veranstaltern der Demonstration, einer Privatinitiative Nassauer Bürger, dass sie zu den Menschen sprechen darf. „Gemeinsam setzen wir ein Zeichen. Für Vielfalt. Gegen Hass und Ausgrenzung“, sagt Janott. „Wir alle kommen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten zusammen. Aber eines eint uns heute: Gemeinsam stehen wir für unsere Demokratie.“ Die Krisen der Zeit könnten nur gemeinsam angegangen werden. „Krisen machen Angst, verführen dazu, einfache Antworten zu suchen, die schnelle Lösungen versprechen“, so die Theologin. Doch einfache Antworten passten nicht zu einer komplexen Welt. Zu Vielfalt und einem bunten Nassau rufen die vielen Plakate auf, die den Parteianhängern entgegen gehalten werden. „Nazis raus!“, „Nassau bleibt bunt!“ bekommen sie zu hören und zu lesen.

Vielfalt ist unser Reichtum

DemoNa230324Pizza becrima „Vielfalt ist unsere Chance. Vielfalt ist unser Reichtum“, erklärt Janott. Dafür sei gerade Nassau ein gutes Beispiel, wo seit Jahrzehnten Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen friedlich zusammenleben und wo am Sitz der Stiftung Scheuern Inklusion ganz selbstverständlich gelebt werde. „Wir als bunt zusammengewürfelter Haufen aus Menschen gestalten gemeinsam unsere Welt. Es braucht jeden und jede von uns.“

DemoNa230324NichtGewusst becrima Dazu mahnt sie, wieder mehr das zu tun, was zusammenbringt: „Redet miteinander! Hört einander zu! Nehmt einander ernst! Haltet Verschiedenheit aus! Findet Gemeinsamkeiten! Hört aufeinander!“. Dazu brauche es eine Haltung der Achtung und des Respekts, das, was Christen Nächstenliebe nennen. Janott: „Hass und Hetze, Ausgrenzung und Menschenverachtung haben da keinen Platz“.

Völkisches Ideal entspricht nicht christlichem Menschenbild

DemoNa230324Dialoge becrima Dann fordert sie dazu auf, in den Dialog zu treten. Menschen aus dem Dekanat stehen mit großen bunten Regenschirmen dazu parat. Trotz Geräuschpegels nutzen viele der Demonstrierenden die Gelegenheit. „Wir lehnen nicht Menschen ab, wir lehnen deren Meinungen und Haltung ab“, sagt einer. Andere diskutieren die Frage, wie es gelingt rechtsextremistischem und ausländerfeindlichem Gedankengut Grenzen zu setzen oder Menschen vor „Rattenfängern“ zu bewahren, die einfache Antworten auf komplexe Fragen versprechen. „Dort bekommen die Leute, was ihnen im Leben bisher vielleicht fehlte – Anerkennung und eine Aufgabe“, meint eine Besucherin im Dialog über die insbesondere jungen Leute, die zur Parteiveranstaltung in die Stadthalle einziehen oder als Ordner dienen. „Dass denen so viele junge Menschen auf den Leim gehen, macht mir Angst“, sagt ein anderer Demonstrant und weiter: „Ich glaube, wir müssen unser Bildungssystem deutlich verbessern“. Deutliche Worte findet auch der theologische Vorstand der Stiftung Scheuern Pfarrer Gerd Biesgen: „Das völkische Ideal, das diese Partei vertritt, verträgt sich nicht mit dem christlichen Menschenbild“.

Ganz praktisches Anschauungsmaterial hat Janott auch mitgebracht, ein Faltblatt der hessen-nassauischen Diakonie mit dem Titel „Nächstenliebe verlangt Klarheit – Auseinandersetzung wagen und im Gespräch bleiben“. Hier kann die Broschüre heruntergeladen werden.

Nach der fast zweistündigen Mischung aus Pfeifkonzert, Hupen, Gesprächen, Regen und Wind treten die Demonstrierenden nach und nach den Heimweg an. Die Fahnen vor der Nassauer Stadthalle wehen weiter, auf denen zu lesen ist: „Unser Kreuz hat alle Farben! Für Menschenwürde, Demokratie und eine offene Gesellschaft“. Bernd-Christoph Matern

Denkanstöße zum Nachdenken und Diskutieren

Die folgenden Fragen können als Denkanstoß für Gespräche dienen. Sie können diese auch schriftlich beantworten und diese ans Dekanat schicken per E-Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. oder auf dem Postweg an Dekanat Nassauer Land, Römerstraße 25, 56130 Bad Ems.

Für Freiheit, Vielfalt und Demokratie

Denkanstöße für die Demonstration am 23. März 2024 in Nassau

Was sind Maßnahmen, um die steigenden Aggressionen im menschlichen Miteinander zu stoppen?

Wie kann dem wachsenden Populismus und der Spaltung der Gesellschaft begegnet werden?

Welche friedlichen Alternativen sehen Sie, um gegen politische Ansichten zu protestieren, ohne selbst zu Hass und Hetze beizutragen?

Was braucht es, um christliche Werte wie Nächstenliebe wieder stärker ins gesellschaftliche Miteinander, insbesondere die politische Auseinandersetzung einzubringen?

Was kann getan werden, um den sozialen Frieden in Deutschland zu sichern?

Hier können Sie die Fragen auch als pdf-Datei herunterladen und ausdrucken.

Hier finden Sie einen Video-Beitrag des BEN-Kurier zur Veranstaltung. 

Zu den Fotos:

„Wir sind mehr!“ – das zeigte die Demonstration in Nassau, die gegen völkisches Gedankengut und für Freiheit, Vielfalt und Demokratie ein starkes Zeichen setzte. Fotos: Matern