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Luther: In Corona-Pandemie niemand allein lassen

Zum Reformationstag inszenierte Dekanin Weigel mit der Kirchengemeinde Holzhausen Schauspiel zu Geschichte und Gegenwart

HOLZHAUSEN/RHEIN-LAHN. (1. November 2020) „Wir haben Corona, damals hatten sie die Pest. Ja, glaubt Ihr, dass Gott uns in schwerer Zeit alleine lässt?“ Mit diesen Worten begann am Samstagabend ein Reformations-Schauspiel am evangelischen Gemeindehaus in Holzhausen, zu dem das evangelische Dekanat Nassauer Land zusammen mit der Kreuz-Jakobusgemeinde Holzhausen eingeladen hatte.

Das von Dekanin Renate Weigel geschriebene Stück erinnert am Reformationstag nicht nur an Martin Luthers Thesenanschlag und die damit verbundene Freiheit eines Christenmenschen. Die aktuelle Situation zwischen Abstandsregeln und Gottvertrauen kommt zwischen flackernden Feuertöpfen und Luthers Schreibpult ebenfalls zur Sprache.

LS20 Thesenanschlag becrima So beginnt das Spiel mit dem legendären Anschlag der 95 Thesen an eine Holztür, zu der Martin Luther kräftig mit dem Hammer ausholt, um auf das Ablass-Treiben seiner katholischen Kirche hinzuweisen. In der braunen Mönchskutte steckt Thomas Christ aus Bettendorf, der sich lauthals über falsche Prediger mokiert, die sagen: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ Einem Armen zu helfen, sei allemal besser als den Ablass zu kaufen, nennt er ein Beispiel und verwundert damit die Marktfrauen, LS20 Marktfrauen1 becrima die die Szene beobachten. Diana Eckert, Birgit Hausen, Regina Hofmann und Stefanie Wolf verkörpern in historischer Tracht das überraschte einfache Volk, dem Luther so gern aufs Maul schaute, und sie spiegeln den Zeitgeist anno 1517 wieder: „Hoffentlich versündigt sich unser Bruder Martin nicht!“ oder „Demnächst werden die Weiber noch mit Professoren disputieren!“ Und weil sie ihre Verwunderung in nassauischer Mundart ausdrücken, gibt's den ein und anderen Lacher im weit auseinander sitzenden Publikum.

Zur szenischen Predigt dieses Abends gehört ein Blick auf die Lieder, die Luther dichtete und die den Gottesdienst „verständlich, fröhlich und frei machen“. Schwärmend und gerührt hören die Marktfrauen zu, wenn der der Welt zugewandte Reformator außerdem Briefe an seine Frau Käthe schreibt.

LS20Luther Herold becrima Und es kommt zur Sprache, wie Luther über die Pest dachte, die er wohl auch über die Coronakrise hätte schreiben können. Die Angst und die Flucht vor der Angst sei das schlimmste. „So will ich zu Gott bitten, dass er uns gnädig sei und es abwehre. Danach will ich auch räuchern, die Luft reinigen helfen, Arznei geben und nehmen. Ich will Orte und Personen meiden, wenn man mich nicht braucht, damit ich mich nicht selbst vernachlässige. Und dazu durch mich vielleicht andere vergiftet und angesteckt werden und ihnen so durch meine Nachlässigkeit eine Ursache des Todes entsteht“, ruft Luther in die Welt hinaus. „Wenn aber mein Nächster mich braucht, will ich weder Orte noch Personen meiden, sondern frei zu ihm gehen und helfen.“ Das sei ein rechter, gottesfürchtiger Glaube, der nicht tollkühn ist und Gott auch nicht versucht. Dekanin Weigel, die als Herold die Rolle des Erzählers inne hat, übersetzt die Gedanken in den November 2020 und erinnert ans Beten, die Hygiene-Regeln, den Abstand nicht zu verlieren: „Braucht aber eins Hilfe, bin ich zur Stelle, lasse niemanden allein.“

LS20 Saxophon becrima LS20 Trompete becrima Für die musikalische Umrahmung sorgen Martina Adler mit der Trompete, die das Schauspiel mit Humperdincks Abendgebet aus der Oper Hänsel und Gretel beendet. „Ein feste Burg ist unser Gott“ darf auch nicht fehlen; Pfarrer Andreas Becker spielt es auf dem Saxophon in jazziger Form in dem von der Technik-AG des Wilhelm-Hofmann-Gymnasiums St. Goarshausen ausgeleuchteten und beschallten Wiesenplatz hinter dem Gemeindehaus.

Viel Applaus gibt es nicht nur für alle Darsteller sowie für Melanie Vrablik und das rührige Team des Kirchenvorstands und dessen organisatorische Arbeit, sonder auch für die Denkanstöße. Die liefern über die historische Erinnerung an Luthers Überzeugungen hinaus bildende wie geistliche Nahrung für Kopf und Seele in der Gegenwart. Die für den Leib gibt's obendrein mit auf den Heimweg: eine Tasche bepackt mit Lutherbrot und Lutherbier, die ursprünglich als Speis und Trank an Ort und Stelle genossen werden sollten. Zudem unterstützt die Kollekte in Höhe von 300 Euro das Hilfsprojekt „Wir machen mit“ der Verbandsgemeinde Aar-Einrich zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen auf der Insel Lesbos.

Damit das Schauspiel auch denen zugänglich wird, die nicht in Holzhausen dabei waren, können Sie es sich hier auf dem YouTube-Kanal des Dekanats ansehen. Bernd-Christoph Matern

LS20 Einlass becrima Zu den Fotos:
Zum Reformationstag sorgten Dekanat und Kirchengemeinde in Holzhausen für ein Schauspiel, das auch die aktuellen Ängste der Corona-Pandemie aufgriff. Die Hygienerichtlinien wurden schon beim Einlass beachtet Fotos: Matern