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Israel-Sonntag macht Hoffnung wider alle Hoffnung

Ökumene-Referentin des Dekanats erinnert in Frücht an jüdischen Dichter – Lieder, Gebete und Segen in hebräischer Sprache

FRÜCHT/RHEIN-LAHN. (25. August 2020) „Freunde, dass der Mandelzweig“ heißt ein Lied im evangelischen Gesangbuch, das Schalom Ben Chorin (1913 - 1999) gedichtet hat. Es stand im Mittelpunkt eines christlich-jüdischen Gottesdienstes zum diesjährigen Israel-Sonntag, zu dem Pfarrerin Antje Müller, Ökumene-Referentin des evangelischen Dekanats Nassauer Land, gemeinsam mit der Gesamtkirchengemeinde Frücht-Friedrichssegen nach Frücht eingeladen hatte.

Müller, die schon seit einigen Jahren mit Vertretern jüdischen Glaubens wie Wolfgang Dorr, Christoph Simonis und dem Musikerduo Odelia Lazar/Michael Wienecke Gottesdienste zu Israelsonntagen und Holocaustgedenken feiert, erinnerte daran, dass in diesem Jahr der 1700-jährigen Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland gedacht wird. „Die Geschichte des jüdisch-christlichen Zusammenlebens war im Laufe der Jahrhunderte sehr wechselhaft. Dunkle Epochen der Verfolgung und Pogrome wechselten mit hellen Epochen des Dialogs und der Zusammenarbeit ab“, so die Theologin.

Der Münchner Journalist und Religionswissenschaftler, von dem die Liedverse stammen und der bereits 1935 nach Jerusalem geflohen war, hieß Fritz Rosenthal und gab sich später den hebräischen Namen Schalom Ben Chorin (Friede, Sohn der Freiheit). Er wurde zu einem Wegbereiter des jüdisch-christlichen Dialogs. Mitten im Zweiten Weltkrieg und in der Nazi-Zeit schrieb er 1942 das Gedicht „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, das die Liebe bleibt“, um damit ein Zeichen der „Hoffnung wider alle Hoffnung“ zu setzen und deutlich zu machen, dass es auch in schrecklichen Zeiten „Vorboten des Frühlings, den Schimmer von Licht am Ende des Tunnels geben kann“, berichtete Müller. Inspiriert wurde er zu diesem Gedicht, zu dem dann erst viel später Fritz Baltruweit die Melodie schrieb, durch einen blühenden Mandelzweig im eigenen Garten und einen Bibelvers aus dem Buch des Propheten Jeremia.

Die Gottesdienstbesucher waren einmal mehr sehr angerührt, im Gottesdienst das Gebet des Herrn, also das „Vater Unser“ von Wolfgang Dorr in der Muttersprache Jesu zu hören als auch den Abschlusssegen auf Hebräisch zu empfangen. Das jüdische Musiker-und Gesangsduo Odelia Lazar und Michael Wienecke begeisterte zudem mit hebräischen Lieder, die passend zum Thema gewählt worden waren; Organistin Hannelore Syre hatte sich noch ein besonderes „Bonbon“ einfallen lassen und ließ zur Überraschung aller am Ende des Gottesdienstes die israelische Nationalhymne, die „ha Tikwa“ auf der Orgel erklingen.