Vom Kampf um einen Toten bis zum Pfarrer im Hundewagen

Votrag in Bad Ems von Pfarrer i. R. Runfried Schuster bietet Reise in die Nassauische Vergangenheit

Vortrag 06 2022 Ehepaar Schuster BargmannBAD EMS. (29. Juni 2022) Mit großer Freude konnte der Vorsitzende des Fördervereins zur Renovierung der Kaiser-Wilhelm Kirche Bad Ems, Karl- Werner Köpper, jetzt wieder zu einem Vortrag im Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Bad Ems begrüßen. Selbst aus dem hessischen Land erschienen Gäste, die der Referent Pfarrer i.R. Runfried Schuster aus seiner aktiven Zeit im Kirchspiel Niedershausen noch kannten. Seit dem 20. Januar 2020 war es der erste Vortragsabend nach der Corona-Pause.

Als Hauptinhalt seines Vortrages trug Pfarrer i.R. Schuster Ereignisse vor, die er in seiner 32-jährigen Dienstzeit in Niedershausen zum Teil aus Kirchen-büchern recheriert hatte bzw. selbst erlebte. Seine Frau zitierte im Verlauf des Vortrages die entsprechenden Berichte aus den Kirchenbüchern. Als Schwer-punkt des Vortrages stand eine historische Begebenheit, die den Konflikt zwischen den deutschen Klein- und Kleinststaaten verdeutlicht, hier zwischen Nassau-Oranien und Nassau-Weilburg.

Am 27. Mai 1758 verstarb Ernestus Christophorus Thies, Hüttenverwalter der Löhnberger Hütte. Darüber entstand ein Streit, zu welchem Staat  nun die Bewohner der Hütte gehörten? Die Grenze zwischen den Staaten Nassau-Oranien und Nassau-Weilburg verlief etwa fünf Minuten entfernt von der Hütte. Deshalb beanspruchte auch Nassau-Weilburg die Herrschaft über die Hütte. Sollte die Hütte zum Amt Löhnberg (Nassau-Weilburg) gehören, dann wäre auch die Pfarrei Löhnberg zuständig. Falls die Hütte aber zum Amt Beilstein (Nassau-Dillenburg) gehörte, dann müssten die Hüttenbewohner in der Kirchengemein-de Niedershausen eingegliedert sein. Nassau-Weilburg bestimmte, dass die Beerdigung in Löhnberg durchgeführt werden sollte und Nassau-Oranien wünschte die Beerdigung in Niedershausen. Die Angehörigen des Ernestus Christophorus Thies waren stets in Löhnberg zur Kirche gegangen und wünschten daher auch dort die Beerdigung. Die Löhnberger vertrieben die zur Beerdigung herangeschrittenen Niedershausener mit Steinwürfen von der Hütte und beerdigten den Toten in Löhnberg. Beim nun ausbrechenden wahrhaften Kampf um die Leiche wurde ein Bewohner von Niedershausen getötet und mehrere verletzt. Nassau-Oranien schickte einen Leutnant mit 200 Mann nach Löhnberg, um die Leiche wieder auszugraben und nach Niedershausen zu bringen, was auch so geschah. Der Tote blieb an der Kirche in Niedershausen beerdigt, aber der Konflikt zwischen den beiden Staaten war noch lange nicht zu Ende. Die lutherischen Löhnberger beschimpften die reformierten Nieders-hausener noch lange als "calvinische Teufel".

Man beachte, dass der Bericht im Niedershausener Kirchenbuch natürlich sehr parteiisch die Niedershausener als die schuldlosen Opfer darstellt, was die Löhnberger ganz anders sahen.

Nach Ende seines kurzweiligen Vortrages erhielt Herr Schuster von einem Vertreter der Burschenschaft „Nirrershäuser Dreschflejel“ eine Plakette über seine Ehrenmitgliedschaft. Die Burschenschaft hat sich der Pflege des örtlichen Brauchtums verpflichtet und ist noch heute darin aktiv ist, indem sie etwa Brot nach alter Weise im „Backes“ bäckt, aber auch indem sie alljährlich zugunsten von „Brot für die Welt“ am Erntedank-Tag ein zünftiges Mittagessen für die ganze Kirchengemeinde und angereiste Gäste herrichtet.

Am Ende des Vortragsabends hatten die Gäste Gelegenheit, eine von Pfarrer i.R. Schuster zusammengestellte Ausstellung von Schriften und Requisiten zu begutachten.

Das Publikum dankte dem Ehepaar Schuster mit einem langen Applaus für den kurzweiligen Abend und kam nach langer Abstinenz vom Vereinsleben untereinander ins Gespräch.

Jürgen Dötsch als Vorsitzender des Bau- und Liegenschaftsausschusses der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Ems hatte zu Beginn des Abend Hinweise zum aktuellen Stand der Kaiser-Wilhelm Kirche gegeben; über konkrete Neuigkeiten konnte er dabei nicht informieren. Die geplante Sicherung der Gründung und Erneuerung des Entwässerungssystems stünden noch aus. (bg)